Gicht

Def: Purinstoffwechselstörung mit Ablagerung von Harnsäuresalzen in verschiedenen Geweben (Hyperurikämie = Serum-Harnsäure > 6 mg/dl)

Vork: Frauen überwiegen Männer

Note: Bei Frauen steigt der Harnsäurespiegel meist erst nach der Menopause an, wenn die Östrogene mit urikosurischer Wirkung versiegen.

Ät: - primäre Gicht:

Pg: Purinreiche Ernährung führt zur Manifestation der genetischen Anlage

- verminderte Harnsäureausscheidung bei tubulärer Sekretionsstörung (> 99% d. F.)

- erhöhte Harnsäurebildung (< 1% d. F.)

Etlg: - Lesh-Nyhan-Syndrom:

Gen: X-chromosomal rezessiv

Ät: Mangel an dem Enzym HG-PRT (Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase)

KL: Trias:

- Hyperurikämie

- progressive Niereninsuffizienz

- neurologische Symptome: Neigung zur Selbstverstümmelung (insbes. Bissverletzungen), Oligophrenie, choreoathetotische Symptome, Opisthotonus, Nystagmus

- Kelley-Seegmiller-Syndrom:

Ät: Aktivitätsminderung der HG-PRT

KL: Trias:

- Hyperurikämie

- Nierensteine

- neurologische Symptome

Note: ohne Neigung zur Selbstverstümmelung

- sekundäre Gicht:

Pg: - verminderte Harnsäureausscheidung:

Urs: - Nierenerkrankungen

- Laktatazidosen

- Ketoazidosen (Fasten, Diabetes mellitus)

- Pharmaka (Diuretika, Zytostatika, ASS (niedrig dosiert), Diazoxid)

- erhöhte Harnsäurebildung bedingt durch erhöhten Nukleinsäure-Turnover:

Urs: Tumoren, Leukämie, Polyzythämie, hämolytischer Anämie

Merk: Sowohl der primären als auch sekundären Gicht können pathogenetisch zwei Prinzipien zugrundeliegen: zum einen verminderte Harnsäureausscheidung, zum anderen erhöhte Harnsäurebildung.

KL: - akute Monarthritis meist des Großzehengrundgelenks (Podagra) oder Daumengrundgelenks (Chiragra)

- kutane Gichtknötchen (Gichttophi) durch Ablagerung von Uratkristallen 5 2

HV: gelbliche, derbe, meist schmerzlose Knötchen

Lok: Akren und Ohrhelices sind Prädilektionsstellen

DD: - Bouchard- und Heberden-Knoten bei Arthrose

Lok: proximale und distale Fingergelenke

- Xanthome

- Rheumaknoten

- Digitalfibrom

Syn: Fingerknöchelpolster

Engl: Knuckle pads

Def: polsterartige fibrotische Verdickung über den dorsalen Fingergelenken ohne mechanische Provokation

DD: Pseudo-Knuckle pads (durch z. B. Saugen, Kauen, Reiben)

- epitheloides Sarkom

- Morbus Farber

Syn: disseminierte Lipogranulomatose (Sphingolipidose)

- multizentrische Retikulohistiozytose

Lit: JAAD Case Rep. 2022 Oct 11;31:89-92. http://doi.org/10.1016/j.jdcr.2022.09.027

Di: - Hyperurikämie

- Mikroskopie des Inhalts kutaner Gichttophi

Meth: Gichtknoten oberflächlich anritzen und mit Kanülenspitze etwas Material auf dem Objektträger ausstreichen

Bef: nadelartige bräunliche Natriumurat-Kristalle

Altn: Histologie

Meth: - Biopsie mit LA und Fixierung in Ethanol

CV: Harnsäurekristalle lösen sich in Formalin

- Mikroskopieren mit polarisiertem Licht

Bef: nadelförmige Uratkristalle umgeben von einem lymphohistiozytären Infiltrat mit Fremdkörperriesenzellen 2 4 3

- Synoviaanalyse

Meth: Suche nach Kristallen im polarisierten Licht

Bef: negativ doppelbrechende Natriumuratkristalle

DD: Chondrokalzinose

Bef: positiv doppelbrechende Kalziumpyrophosphatdihydratkristalle

- Röntgen

Bef: typischerweise radiologisch scharf begrenzte Knochendefekte

Th: - bei Asymptomatik und Serum-Harnsäure < 9 mg/dl ist primär eine Diät angezeigt

- bei Serum-Harnsäure > 9 mg/dl ist meist eine medikamentöse Therapie indiziert

Ind: - akuter Gichtanfall

Allg: Basismaßnahmen: Hochlagerung der betroffenen Extremität und Bettruhe

Etlg: - Antiphlogistika

- Indometacin

Bed: GS

Note: Colchicin wurde wegen gastrointestinaler NW verdrängt

Co: Colchicin (s. unten)

Dos: 3x50 bis 4x100 mg/Tag (auch als Supp.) über 1-2 Tage, danach 100 mg/Tag über 2-4 Tage

- Phenylbutazon

Wirk: zusätzlich urikosurisch, wegen NW aber nur als Ultima Ratio

- Mitosehemmstoffe

- Colchicin

Phar: Bitte registrieren / anmelden

Dos: 0,5-1 mg/h (max. 8 mg/Tag); nach Besserung Dosisreduktion

Co: ggf. Glukokortikoide, wenn keine Besserung nach 1 Tag

Wirk: Bindung an Leukozyten-Tubulin

Folg: - Vermehrung, Motilität und Phagozytose erniedrigt

- Freisetzung schmerzauslösender Enzyme erniedrigt

CV: Blutharnsäurespiegel: unverändert

Eig: enterohepatischer Kreislauf führt zur Kumulation

NW: - hohe Toxizität

- Diarrhoe

Th: Loperamid

CV: Frauen und Männer sollten während der Medikation und bis 3 Monate nach Absetzen keine Kinder zeugen.

Note: Vinblastin, Vincristin (Alkaloide) sind ebenfalls Mitosehemmstoffe, hier aber obsolet.

- urikostatische Dauertherapie

Stoff: Allopurinol

Bed: GS vor Urikosurika, da keine Nierenbelastung, sondern Senkung der renalen Harnsäureausscheidung

Dos: 200-300 mg/Tag, (max. 800 mg/Tag)

Wirk: Hemmung der Harnsäuresynthese über 2 Mechanismen

- Xanthinoxidase-Hemmung, da Hypoxanthin-Analogon (Antimetabolit)

Folg: Harnsäurevorstufen besser renal eliminierbar

Note: Abbauprodukt Oxipurinol hemmt ebenfalls die Xanthinoxidase

- Hemmung der Purinbiosynthese durch Verbrauch von Phosphoribosylpyrophosphat und Einbau als falsches Nukleotid

NW: verlangsamte Elimination von Purinantagonisten Azathioprin und 6-Mercaptopurin

CV: Zytostatikawirkdauer erhöht

Altn: Febuxostat

Phar: Bitte registrieren / anmelden

Def: nichtpurinischer selektiver Xanthinoxidasehemmer

Pos: Alternative bei Allopurinol-bedingten Arzneimittelexanthemen

CV: Allopurinol und Urikosurika können initial Gichtanfälle auslösen, wenn die Uratablagerungen in den Gelenken zu schnell mobilisiert werden, deshalb evtl. Anfallsprophylaxe mit kleinen Dosen von Colchicin (0,5-1 mg/Tag, ggf. über Monate)

- urikosurische Intervalltherapie

Stoff: - Benzbromaron

Eig: - längste Wirkdauer aller Gichtmittel: 2-3 Tage

- erhöhte Ausscheidung von Oxipurinol

- Probenecid

- Sulfinpyrazon

Wirk: kompetitive Antagonisten organischer Säuren am Tubulussystem

Folg: - Zunächst wird nur die Sekretion gehemmt

NW: akuter Gichtanfall bei Therapiebeginn

KI: akuter Gichtanfall

- bei höheren Dosen dann auch die Rückresorption

Folg: Harnsäureausscheidung erhöht

NW: Gichtniere

Prop: von Uratsteinen/Nephrolithiasis:
 Alkalisierung des Harns auf pH = 7 mit Natriumkarbonat/Kalziumzitrat

CV: Pat. muss viel trinken (mind. 2 Liter/Tag)

WW: - ASS

Wirk: - in niedrigen Dosen wirkt ASS urikämisch (Erhöhung der Harnsäurespiegel)

Urs: Wirkung von Probenecid und Sulfinpyrazon (nicht Benzbromaron) wird gehemmt

- in hohen Dosen (3-5 g/Tag) wirkt es aber urikosurisch (Erniedrigung der Harnsäurespiegel)

Urs: kompetitive Hemmung der Rückresorption

- Penicillin

Wirk: verstärkt/verlängert durch Hemmung der renalen Sekretion

- Furosemid/Thiazide

Wirk: abgeschwächt

  

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