Botulinumtoxin (BTX)

Zuletzt geändert von Thomas Brinkmeier am 2025/05/04 22:16

Botulinumtoxin (BTX)

Def: Neurotoxin, produziert vom anaeroben, grampositiven, sporenbildenden Bakterium Clostridium botulinum

Note: Clostridium botulinum produziert insgesamt 8 Exotoxine

Etlg: Typ A-G

- Typ A (BTX-A)

Wirk: - Hemmung der Acetylcholinfreisetzung durch Spaltung von SNAP-25 an der motorischen Endplatte

Def: SNAP = Synaptosomen-assoziiertes Protein 25

- Modulation sensorischer Nerven (analgetische Wirkung): Hemmung der Freisetzung von neuroaktiven Substanzen wie Substanz P, Glutamat und CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide). Dies führt zu einer Reduktion nozizeptiver Signale und erklärt die schmerzlindernde Wirkung bei Erkrankungen wie chronischer Migräne, neuropathischen Schmerzen oder myofaszialem Schmerzsyndrom.

- Hemmung peripherer und zentraler neuronaler Übertragung: Hinweise auf einen retrograden axonalen Transport von Botulinumtoxin A ins zentrale Nervensystem, was zu zentralnervösen Modulationen führen kann. Dies spielt möglicherweise eine Rolle bei der Therapie von Spastik, Dystonien und in experimentellen Ansätzen auch bei Depression.

- Wirkung auf nicht-neuronale Zellen: Botulinumtoxin A hemmt die Aktivität von sekretorischen Zellen wie Schweißdrüsen (bei Hyperhidrose), Speicheldrüsen (bei Sialorrhoe) oder Talgdrüsen (z. B. bei Akne). Auch glatte Muskelzellen können durch den Toxin-Effekt beeinflusst werden.

- Einfluss auf Zelladhäsion und Proliferation (experimentell): In vitro wurde gezeigt, dass Botulinumtoxin A die Migration und Aktivität von Fibroblasten hemmen kann. Dies eröffnet potenzielle Einsatzmöglichkeiten in der ästhetischen Medizin, z. B. bei der Behandlung von Narben oder gestörter Wundheilung.

- Langfristige Modulation der synaptischen Plastizität: Wiederholte Applikationen von Botulinumtoxin Typ A können zu neuronalen Umstrukturierungen führen, etwa durch Sprouting oder veränderte Synapsenbildung. Diese Vorgänge beeinflussen langfristig die neuronale Reizübertragung und könnten therapeutisch relevant sein.

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- Typ B (BTX-B)

Wirk: Spaltung des Exozytoseproteins Synaptobrevin

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Note: - Bei Männern sind wegen der größeren Muskelmasse ggf. höhere Dosen (ca. 1,5-2fach) erforderlich.

- Die Injektion von konservierungsmittelhaltigen Salzlösungen zur Verdünnung soll weniger schmerzhaft sein als die Verwendung von konservierungsmittelfreien Lösungen.

Lit: J Am Acad Dermatol 2003; 48: 875-7

PT: RCT

- BTX-A soll auch noch 6 Wochen nach dem Auflösen keinen Effektivitätsverlust zeigen

Lit: Dermatol Surg 2003; 29: 523-9

PT: RCT

Appl: i.m., teils auch s.c. (Diffusion zum Zielort)

NW: - BTX-Ak-Syndrom

Def: Wirkungsverlust von Botulinumtoxin durch Ak-Bildung

Di: Injektion in Kennmuskel, am besten M. frontalis

Erg: Pat. kann trotz Injektion noch im Bereich der Glabella die Haut runzeln

Risk: - kurzer Zeitabstand zwischen den Injektionen

- hohe Dosen

- weibliches Geschlecht

Vork: bis zu 10% d. F. mit zervikaler Dystonie nach BTX-Gabe

- Injektionsschmerz

- Hautirritation

- temporäre Muskelschwäche

- Kopfschmerzen

Note: Andererseits ist die Migränebehandlung mit Botulinumtoxin möglich.

Lit: Dermatol Surg 2003: 29: 749-54

- antidepressive Effekte

- lokalisationsabhängie NW bei fazialer Faltenbehandlung: Ptosis, Ektropion, Doppelbildsehen, Hämatombildung, Augentränen, Kopfschmerzen

Th: Apraclonidin AT

Ind: Oberlid-Ptosis

KI: - Organerkrankungen, z. B. Hyperthyreose

- neuromuskuläre Erkrankungen

Bsp: Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom

- Schwangerschaft

- Aminoglykosid- oder Spectinomycin-Einnahme

Note: BTX-Applikation frühestens 72 h nach Absetzen der Antibiotika

- lokale Infekte an den Injektionsstellen

- Marcumar-Therapie oder Koagulopathien

Bed: nur relative Kontraindikation

Ind: in der Dermatologie (Auswahl):

- Behandlung der Hyperhidrosis

So: Adjuvanter Einsatz beim dyshidrotischen Ekzem

Lit: J Eur Acad Dermatol Venereol 2002; 16: 40-2

Wirk: Neben der Hemmung der Ach-Freisetzung wird auch eine antipruriginöse Wirkung durch Hemmung der Substanz P postuliert

- Faltenbehandlung (Auswahl)

KL: - Stirnfalten ("Sorgenfalten")

Kopl: - Hochstehen des lateralen Augenbrauenanteils

Syn: "Spock-Augenbraue"

Engl: "quizzical eyebrow", "Jack Nicholson" look

Th: Injektion weniger Einheiten 1-2 cm kranial der lateralen Augenbraue

- Brauenptosis

Engl: "Heavy brow"

Th: nicht möglich; Spontanremission nach 3-4 Monaten

- Glabella ("Zornesfalte")

Engl: glabellar frown lines

Histr: Erstbeschreibung für diese Indikation durch das kanadische Ärztepaar Carruthers (Ophthalmologe und Dermatologe)

Co: Hyaluronsäureunterspritzung

- laterale Periorbitalfalten ("Krähenfüße")

Engl: Crow's feet

- periorale Rhytiden

Etlg: - Oberlippenfalten ("Raucherfältchen")

- Unterlippenfalten ("Marionettenfalte")

Co: andere Maßnahmen der Rejuvenation (z. B. Augmentation)

- Kinnrunzeln ("Pflastersteinmuster")

- Platysma ("Truthahnhals")

Co: z. B. Liposuktion

- BTX als Adjuvans bei Maßnahmen zur Rejuvenation (z. B. Skin resurfacing, Facelift)

- Behandlung von Gesichtswunden zur Verbesserung des kosmetischen Resultats

Lit: Plast Reconstr Surg 2000; 105: 1948-53

Wirk: verbesserte Narbenbildung durch Abnahme der Wundspannung aufgrund temporärer Muskelparalyse

- Behandlung von (persistierendem) Flushing im Gesichts-, Hals- und Decolleté-Bereich

Vor: Ausschluss von Karzinoid, Mastozytose und Nierenzellkarzinom

Lit: - Clin Exp Dermatol 2003; 28: 592-4

- Dermatol Surg 2004; 30: 102-4

- Int J Dermatol. 2013 Aug 22. http://doi.org/10.1111/ijd.12200

- Dermatol Surg. 2024 Jan 17. http://doi.org/10.1097/DSS.0000000000004073

- Behandlung von multiplen ekkrinen Hidrokystomen

Lit: Dermatol Surg 2003; 29: 557-9

PT: CR

- Pachyonychia congenita

Lit: Dermatol Ther. 2015 Oct 7. http://doi.org/10.1111/dth.12297 (Spanien)

- Paralyse des Analsphinkters bei der Therapie analer Fissuren

- Raynaud-Syndrom

  

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