Botulinumtoxin (BTX)
Botulinumtoxin (BTX)
Def: Neurotoxin, produziert vom anaeroben, grampositiven, sporenbildenden Bakterium Clostridium botulinum
Note: Clostridium botulinum produziert insgesamt 8 Exotoxine
Etlg: Typ A-G
- Typ A (BTX-A)
Wirk: - Hemmung der Acetylcholinfreisetzung durch Spaltung von SNAP-25 an der motorischen Endplatte
Def: SNAP = Synaptosomen-assoziiertes Protein 25
- Modulation sensorischer Nerven (analgetische Wirkung): Hemmung der Freisetzung von neuroaktiven Substanzen wie Substanz P, Glutamat und CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide). Dies führt zu einer Reduktion nozizeptiver Signale und erklärt die schmerzlindernde Wirkung bei Erkrankungen wie chronischer Migräne, neuropathischen Schmerzen oder myofaszialem Schmerzsyndrom.
- Hemmung peripherer und zentraler neuronaler Übertragung: Hinweise auf einen retrograden axonalen Transport von Botulinumtoxin A ins zentrale Nervensystem, was zu zentralnervösen Modulationen führen kann. Dies spielt möglicherweise eine Rolle bei der Therapie von Spastik, Dystonien und in experimentellen Ansätzen auch bei Depression.
- Wirkung auf nicht-neuronale Zellen: Botulinumtoxin A hemmt die Aktivität von sekretorischen Zellen wie Schweißdrüsen (bei Hyperhidrose), Speicheldrüsen (bei Sialorrhoe) oder Talgdrüsen (z. B. bei Akne). Auch glatte Muskelzellen können durch den Toxin-Effekt beeinflusst werden.
- Einfluss auf Zelladhäsion und Proliferation (experimentell): In vitro wurde gezeigt, dass Botulinumtoxin A die Migration und Aktivität von Fibroblasten hemmen kann. Dies eröffnet potenzielle Einsatzmöglichkeiten in der ästhetischen Medizin, z. B. bei der Behandlung von Narben oder gestörter Wundheilung.
- Langfristige Modulation der synaptischen Plastizität: Wiederholte Applikationen von Botulinumtoxin Typ A können zu neuronalen Umstrukturierungen führen, etwa durch Sprouting oder veränderte Synapsenbildung. Diese Vorgänge beeinflussen langfristig die neuronale Reizübertragung und könnten therapeutisch relevant sein.
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- Typ B (BTX-B)
Wirk: Spaltung des Exozytoseproteins Synaptobrevin
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Note: - Bei Männern sind wegen der größeren Muskelmasse ggf. höhere Dosen (ca. 1,5-2fach) erforderlich.
- Die Injektion von konservierungsmittelhaltigen Salzlösungen zur Verdünnung soll weniger schmerzhaft sein als die Verwendung von konservierungsmittelfreien Lösungen.
Lit: J Am Acad Dermatol 2003; 48: 875-7
PT: RCT
- BTX-A soll auch noch 6 Wochen nach dem Auflösen keinen Effektivitätsverlust zeigen
Lit: Dermatol Surg 2003; 29: 523-9
PT: RCT
Appl: i.m., teils auch s.c. (Diffusion zum Zielort)
NW: - BTX-Ak-Syndrom
Def: Wirkungsverlust von Botulinumtoxin durch Ak-Bildung
Di: Injektion in Kennmuskel, am besten M. frontalis
Erg: Pat. kann trotz Injektion noch im Bereich der Glabella die Haut runzeln
Risk: - kurzer Zeitabstand zwischen den Injektionen
- hohe Dosen
- weibliches Geschlecht
Vork: bis zu 10% d. F. mit zervikaler Dystonie nach BTX-Gabe
- Injektionsschmerz
- Hautirritation
- temporäre Muskelschwäche
- Kopfschmerzen
Note: Andererseits ist die Migränebehandlung mit Botulinumtoxin möglich.
Lit: Dermatol Surg 2003: 29: 749-54
- antidepressive Effekte
- lokalisationsabhängie NW bei fazialer Faltenbehandlung: Ptosis, Ektropion, Doppelbildsehen, Hämatombildung, Augentränen, Kopfschmerzen
Th: Apraclonidin AT
Ind: Oberlid-Ptosis
KI: - Organerkrankungen, z. B. Hyperthyreose
- neuromuskuläre Erkrankungen
Bsp: Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom
- Schwangerschaft
- Aminoglykosid- oder Spectinomycin-Einnahme
Note: BTX-Applikation frühestens 72 h nach Absetzen der Antibiotika
- lokale Infekte an den Injektionsstellen
- Marcumar-Therapie oder Koagulopathien
Bed: nur relative Kontraindikation
Ind: in der Dermatologie (Auswahl):
- Behandlung der Hyperhidrosis
So: Adjuvanter Einsatz beim dyshidrotischen Ekzem
Lit: J Eur Acad Dermatol Venereol 2002; 16: 40-2
Wirk: Neben der Hemmung der Ach-Freisetzung wird auch eine antipruriginöse Wirkung durch Hemmung der Substanz P postuliert
- Faltenbehandlung (Auswahl)
KL: - Stirnfalten ("Sorgenfalten")
Kopl: - Hochstehen des lateralen Augenbrauenanteils
Syn: "Spock-Augenbraue"
Engl: "quizzical eyebrow", "Jack Nicholson" look
Th: Injektion weniger Einheiten 1-2 cm kranial der lateralen Augenbraue
- Brauenptosis
Engl: "Heavy brow"
Th: nicht möglich; Spontanremission nach 3-4 Monaten
- Glabella ("Zornesfalte")
Engl: glabellar frown lines
Histr: Erstbeschreibung für diese Indikation durch das kanadische Ärztepaar Carruthers (Ophthalmologe und Dermatologe)
Co: Hyaluronsäureunterspritzung
- laterale Periorbitalfalten ("Krähenfüße")
Engl: Crow's feet
- periorale Rhytiden
Etlg: - Oberlippenfalten ("Raucherfältchen")
- Unterlippenfalten ("Marionettenfalte")
Co: andere Maßnahmen der Rejuvenation (z. B. Augmentation)
- Kinnrunzeln ("Pflastersteinmuster")
- Platysma ("Truthahnhals")
Co: z. B. Liposuktion
- BTX als Adjuvans bei Maßnahmen zur Rejuvenation (z. B. Skin resurfacing, Facelift)
- Behandlung von Gesichtswunden zur Verbesserung des kosmetischen Resultats
Lit: Plast Reconstr Surg 2000; 105: 1948-53
Wirk: verbesserte Narbenbildung durch Abnahme der Wundspannung aufgrund temporärer Muskelparalyse
- Behandlung von (persistierendem) Flushing im Gesichts-, Hals- und Decolleté-Bereich
Vor: Ausschluss von Karzinoid, Mastozytose und Nierenzellkarzinom
Lit: - Clin Exp Dermatol 2003; 28: 592-4
- Dermatol Surg 2004; 30: 102-4
- Int J Dermatol. 2013 Aug 22. http://doi.org/10.1111/ijd.12200
- Dermatol Surg. 2024 Jan 17. http://doi.org/10.1097/DSS.0000000000004073
- Behandlung von multiplen ekkrinen Hidrokystomen
Lit: Dermatol Surg 2003; 29: 557-9
PT: CR
- Pachyonychia congenita
Lit: Dermatol Ther. 2015 Oct 7. http://doi.org/10.1111/dth.12297 (Spanien)
- Paralyse des Analsphinkters bei der Therapie analer Fissuren
- Raynaud-Syndrom