Histamin

Zuletzt geändert von Thomas Brinkmeier am 2021/06/06 17:28

Histamin

Histr: - 1907 chemische Synthese (Windans u. Vogt)

- 1910 Nachweis organische Herkunft (Ackermann) und Entdeckung der Vermittlerfunktion bei allergischen Reaktionen (Dale u. Barger)

- 1953 Nachweis in Mastzellen (Riley u. West)

Allg: Histamin wird durch die katalytische Aktivität der Histidindecarboxylase aus Histidin gebildet und durch Bindung an Proteoglykane (wie Heparin oder Chondroitinsulfat) in den Granula von Mastzellen und basophilen Granulozyten gespeichert. Es ist das evolutionsbiologisch älteste biogene Amin mit einem Molekulargewicht von 111.

Vork: - Histaminliberation

- physiologisch/endogen: Allergen, C3a/C5a, Substanz P, Zytokine

CV: biphasiche Histamin-Freisetzung:

- Sofortphase (v. a. Mastzellen) nach 5 min

- verzögerte Phase (v. a. Basophile) nach 6-8 h

- pharmakologisch/exogen

Bsp: ionische Röntgenkontrastmittel, Propafenon, Muskelrelaxanzien

Note: andere Medikamente/Substanzen können den Histaminabbau (v. a. die DAO) hemmen

Bsp: Acetylcystein, Clavulansäure, Metamizol, Isoptin

- Histamin in Nahrungsmitteln [mg/kg]:

Bsp: Hefe (260-2800), Käse (Emmentaler, Parmesan, Roquefort [0-1800]), Gemüse (Spinat [30-50]), Weine (Chianti, Burgunder [0-30]), Fisch (Thunfisch, Makrelen [0-5000])

Note: Der Histamingehalt von einzelnen Nahrungsmitteln ist nicht immer allgemein anzugeben; so zeigen die Histaminwerte für verschiedene Käsesorten z. B. eine Streubreite von mitunter < 0,1 mg/kg bis 2500 mg/kg. Wichtig sind zudem oft Frischegrad des Produkts sowie Keimgehalt (Erhöhung der Mikroflora bewirkt Erhöhung des Histamingehalts).

Wirk: In der Dermatologie/Allergologie sind zwei grundsätzliche Wirkarten des Histamins von Bedeutung:

- Entzündungsmediator: Diese Funktion wird mehr von H1-Rezeptoren als von H2-Rezeptoren vermittelt (H1 > H2)

- Immunmodulator: Diese Funktion wird mehr von H2-Rezeptoren als von H1-Rezeptoren vermittelt (H2 > H1)

Etlg: - H1-Rezeptor-vermittelte Wirkungen:

- Vasodilatation

KL: Blutdruckabfall

- Kontraktion glatter Muskulatur (Bronchien, Darm)

KL: Dyspnoe

- Stimulation sensorischer Nervenfasern

KL: Pruritus

- Chemotaxis neutrophiler und eosinophiler Granulozyten

- Mukussekretion der oberen Atemwege

- H2-Rezeptor-vermittelte Wirkungen (teilweise Überschneidungen mit H1-Wirkungen):

- kardiale Wirkungen

- Stimulaton der Magensäuresekretion

- Hemmung der Lymphozytenproliferation

- Aktivierung von Granulozyten und zytotoxischen Lymphozyten

- Förderung der Zytokinsekretion

- Förderung der Antikörperproduktion

- H3-Rezeptoren im ZNS haben neuroregulatorische Funktionen

- H4-Rezeptoren

Pa: Histaminintoleranz

Histr: Hippokrates von Kos beschrieb schon vor etwa 2400 Jahren Symptome einer Histaminunverträglichkeit nach Verzehr großer Mengen Käse

Def: Unverträglichkeit von mit der Nahrung aufgenommenem Histamin mit u. g. Ursache

Urs: Verschiedene Ursachen (auch in Kombination) können vorliegen:

- Überangebot von Histamin

- Mangel der hepatischen Methyltransferasen, die das resorbierte Histamin abbauen

Allg: Nach Degranulation von Mastzellen und/oder Basophilen wird ca. 90% des extrazellulären Histamins innerhalb von Minuten durch die N-Methyltransferase zu N-Methylhistamin abgebaut. Letzteres wird weiter über eine Monoaminooxidase zu N-Metyhlimidazolessigsäure verstoffwechselt.

- Mangel der enteralen Diaminooxidase (angeboren oder erworben)

Allg: Der Histaminabbau über die Diaminooxidase stellt einen alternativen Metabolisierungsweg zu o.g. Enzym dar.

CV: Einige Medikamente blockieren die Diaminooxidase: Acetylcystein (z. B. ACC®), Ambroxol (z. B. Mucosolvan®), Aminophyllin (z. B. Euphyllin®), Amitriptylin (z. B. Saroten®), Metamizol (z. B. Novalgin®), Metoclopramid (z. B. Paspertin®), Verapamil (z. B. Isoptin®), Propafenon (z. B. Rhythmonorm®), Isoniazid (z. B. INH), Clavulansäure (z. B. Augmentan®), Chloroquin (z. B. Resochin®)

Vork: - Prävalenz von ca. 1%

- Frauen überwiegen Männer = 80%/20%

- meist Pat. in der 4. Lebensdekade

KL: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Flush, Bronchospasmen, Rhinitis, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie/Hypotonie, Exantheme (oft urtikariell), Flush, Pruritus

Di: - Histaminspiegel erhöht, Diaminooxidase-Spiegel erniedrigt, Vit.-B6-Spiegel erniedrigt

CV: Labordiagnostik aufgrund fehlender Standardisierung schwierig

- ggf. Provokation mit verdächtigen Nahrungsmitteln und anschließende Bestimmung

o.g. Laborwerte

So: Weinprovokationstest (Rotweintest) mit Lungenfunktionsprüfung vorher und nachher

- Histamin-Release-Test/Basophilendegranulationstest (in vitro)

Th: - histaminfreie Diät

Def: Verzicht auf Alkohol, Käse, Schokolade, Rohwürste (z. B. Salami), Nüsse, Tomaten, Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Ananas, Kiwi, Sauerkraut, Spinat, Fisch, Essig

Note: ggf. Schulung durch Diätassistenten/Ernährungstherapeuten

- Antihistaminika als "Prämedikation" 30-60 min vor dem Essen

  

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